

Zeit für Geschichten
Wenn es draußen kalt und dunkel ist, kann man wunderbar drinnen gemeinsam eine Geschichte hören. Zum Beispiel die von Geschichtenerzähler Ivo.
Hier kannst du Ivos Geschichte "die Lichtbringerin" hören:
Und hier kannst du die Geschichte lesen:
Als es noch keine großen Städte gab und man sich abends am Feuer Geschichten erzählte, wandelten die Sterne in Gestalt von Menschen auf der Erde und leuchteten den Menschen nachts den Weg. Dafür hatten die Sternenmenschen kleine Laternen, mit denen sie die Lichter in den Dörfern und Städten entzündeten. Denn ohne Licht am Himmel wurde es sehr dunkel. Diese Sterne wurden
Lichtbringer genannt.
Einer davon war ein junges Mädchen. Als Lichtbringerin war sie viel allein unterwegs. Das machte ihr sonst nicht viel aus, denn ihre Laterne war bei ihr. Einmal bemerkte sie aber, dass ein paar der Lichter, die sie gerade verteilt hatte, wieder ausgingen. Sie dachte sich nicht viel dabei, aber es wurden immer mehr und irgendwann wurde auch das Licht ihrer Laterne immer schwächer. Als sie den Weg vor sich fast nicht mehr sehen konnte, fragte sie einen älteren Lichtbringer um Rat. Der schaute sie lange an und fragte sie:
„Weißt du, warum du das Licht in deiner Laterne nie anzünden musst
und es auch nie ausgeht?“ Das Mädchen schüttelte den Kopf.
„Weil das Licht aus deinem Herzen kommt und von allein leuchtet.
Normalerweise. Aber etwas stimmt mit deinem Herzen nicht.“
„Mein Herz ist schwer, weil ich immer allein bin. Ich würde lieber gemeinsam
mit den anderen Geschichten hören“, sagte das Mädchen.
Der ältere Lichtbringer lächelte sanft. „Es gibt einen Weg, aber den zu
gehen, hat sich noch niemand getraut.“
„Was muss ich tun?“, fragte sie.
„Das kann dir nur dein Herz sagen“, antwortete der Lichtbringer.
Diese Antwort half dem Mädchen nicht besonders, aber der ältere Lichtbringer war schon auf dem Weg, die nächsten Lichter anzuzünden. Ratlos stand sie eine Weile da und schaute in den schwarzen Himmel. Das Licht in ihrer Laterne glimmte auf und sie hob es hoch.
„Willst du mir etwas sagen?“, fragte sie und tat etwas, was noch nie jemand gewagt hatte: Sie öffnete
den Riegel an der Laterne und nahm das Licht mit einer Hand heraus. Es fühlte sich warm an.
„Hier unten werden wir keine Geschichten hören“, sagte das Mädchen.
Von Mut erfasst holte das Mädchen Schwung und warf das Licht nach oben. Weil ihr Herz damit verbunden war, wurde sie mitgezogen. Je höher sie flogen, desto größer wurde das Licht und umschloss das Mädchen schließlich. Erst als sie ganz weit oben waren, hielten sie an. Die anderen
Sterne sahen das, wurden auch mutig und taten es ihr gleich, bis der ganze Himmel funkelte.
Zum ersten Mal konnten sie gemeinsam die Geschichten hören, die an den Feuern erzählt wurden. Und zum ersten Mal waren Mond und Sterne aufgegangen.